Habe ich zu große Schamlippen? Vielleicht hast du dir diese Frage auch schon einmal gestellt. Aber ich kann dich beruhigen: Deine Vulvalippen sind ganz bestimmt nicht zu groß! (Merke, ich spreche von Vulvalippen, weil “Scham”lippen so ein bescheuertes Wort ist, und ich immer öfter Vulvalippen lese und wirklich hoffe, dass sich dieses Wort auch im Alltags-Sprachgebrauch durchsetzen wird. Aber zurück zum Thema.) Ich bin vor langer Zeit einmal auf das Thema “zu große Vulvalippen” gestoßen und fragte mich zum ersten Mal in meinem Leben, ob meine Lippen vielleicht auch zu groß sein könnten. Groß waren sie ja, aber zu groß? Ich las von Operationen, die die überdimensionierten Lippen in die “richtige” Größe bringen könnten. Was es nicht alles gibt! Aber wann sind die Lippen denn zu groß, fragte ich mich. Gibt es dafür eine Richtlinie? Ich konnte keine finden! Es gab nirgends eine Übersicht darüber, welche Länge im Normalbereich lag, und ab wann die Lippen “zu groß” waren. Mh! Wie sollte ich denn dann herausfinden, ob sie nun zu groß waren, oder nicht? Und ob ich eine Operation benötigte, oder nicht.

Ich erinnerte mich daran, dass mein Gynokologe nie etwas in die Richtung erwähnt hatte. Und er hatte ja schon viele Vulven gesehen und hätte sicher etwas gesagt, wenn meine aus der Norm gefallen wäre.

Das Internet war ein guter Ort um sich Komplexe anzueignen, aber auch, um sie abzulegen. Ich las von solchen, die große Vulvalippen abstoßend fanden. Und von anderen, die sie wunderschön fanden. Geschmackssache, schien mir. Mich beruhigte jedenfalls, dass es auch Männer gab, die sie schön fanden. Dann musste ich mich einfach an jene halten.

Außerdem fand ich nach ein bisschen Recherche “The Great Wall of Vagina”, die mir zeigte, dass Vulven und Vulvalippen in allen erdenklichen Größen und Formen daher kamen. Einige von ihnen hatten Ähnlichkeit mit meiner, also war meine sicher ganz in Ordnung!

Aber, und das deutete doch auf “zu große” Vulvalippen hin, war mir das Fahrradfahren schon öfters unangenehm. Vielleicht wäre es nicht ganz so unangenehm, wenn ich kleinere Vulvalippen hätte. Vielleicht waren meine ja doch zu groß. Aber nein! Und das habe ich erst vor kurzem erfahren: Nicht unsere Vulven sind das Problem, sondern die Fahrradsättel, die entsprechend der männlichen Physiologie entwickelt wurden! Frauensättel sind in der Regel kleine Männersättel. Aber Überraschung: Frauen sind keine kleinen Männer. Männer sind ja auch keine großen Frauen. Und zwischen unseren Beinen sehen wir auch ganz anders aus. Nicht wenigen Frauen ist das Fahrradfahren auf Dauer unangenehm. Aber es gibt eine Lösung! Und damit meine ich nicht, die Vulvalippen zu verstümmeln, sondern Fahrradsättel, die entsprechend der weiblichen Anatomie entworfen wurden. Zum Beispiel haben sie ein Loch von der richtigen Größe, sodass die Vulva nicht ständig gedrückt und gerieben wird, was auf Dauer einfach unangenehm ist.

Statt also Frauen einzureden, sie seien nicht richtig und müssten sich selbst anpassen, weil Dinge, die der Durchschnittsmann ohne Probleme benutzen kann ihnen Probleme bereiten – selbst dann, wenn diese Dinge verkleinert und sogar pink angemalt wurden – sollten wir uns immer wieder daran erinnern, dass Männer eben keine großen Frauen sind, und das Verkleinern von Dingen eben nur begrenzt hilft. Statt Frauen einzureden, dass sie sich erst verstümmeln lassen müssen, damit es passt – oder sie einer Pappnase von Mann gefallen – sollte viel öfter geprüft werden, ob Alltagsgegenstände der Anatomie von Frauen gerecht werden. Und dort, wo diese Gegenstände eben nicht passen, sollten diese entsprechend angepasst werden, und nicht die Frau. (Und Pappnasen sollten überlegen, ob ihr Schönheitsideal zu viel von Pornos beeinflusst ist, und ob Einheitsvulven wohl realistisch sind. Die Penisse von Männern sind schließlich auch nicht alle gleich, nicht wahr?)

Ich werde mir jetzt erst einmal einen richtigen Sattel zulegen. Ich bin lange genug auf Sätteln herumgerutscht um eine halbwegs angenehme Position zu finden. Es reicht.