Es gibt da diese Idee den weiblichen Zyklus in vier Phasen aufzuteilen, die sich sehr elegant durch die “vier inneren Jahreszeiten” veranschaulichen lassen.
Wenn man sich die hormonellen Schwankungen einmal auf einer Grafik ansieht, zb. auf Wikipedia (Stichwort: Menstruationszyklus), und man liest, dass das Östradiol(ein Östrogen)-Level um 200% und Progesteron sogar um 1200% innerhalb eines Zyklus variiert (Englisch: menstrual cycle, auf der deutschen Seite gibt es diese Grafik nicht), dann ist es wirklich kein Wunder, dass man sich im Verlauf des Zyklus sehr unterschiedlich fühlen kann. Bevor ich auf die “inneren Jahreszeiten” gestoßen bin, war mir zwar bereits aufgefallen, dass ich mich manchmal als besonders schön empfinde, und bevor ich meine Tage bekomme mitunter sehr reizbar bin, aber dass es auch einen “Frühling” gibt, eine Phase, in der man vor Energie nur so strotzt, war mir nicht aufgefallen. Ich habe mir also einmal die Mühe gemacht und habe mir einen Menstruationskalender kreiert (Den gibt es auch als app, aber ich wollte meine Daten nicht mit irgendwem teilen, daher ganz schlicht auf Papier). Ich habe nicht nur meine Menstruation eingetragen, sondern auch weitere Symbole: einen Muskelarm, wenn ich mich besonders energiegeladen fühlte, ein Herz, wenn ich mich sexy fühlte, ein lächelndes Gesicht, wenn ich die Menschen mochte, und einen Blitz, wenn ich sehr reizbar war. Und tatsächlich, die Symbole wiederholten sich verstärkt in denselben Phasen des Zyklus. Die Charakteristika dieser Phasen scheinen zudem – zumindest zum großen Teil – mit denen anderer Frauen übereinzustimmen. Der weibliche Zyklus ist viel mehr als nur die monatliche Blutung. Innerhalb eines Monats, jeden Monats, erleben wir, bildlich gesprochen, die Höhen und Tiefen eines ganzen Jahres! 😉
Die vier inneren Jahreszeiten
Der innere Winter: Ruhe und Regeneration
Zeitraum: Die Tage der Menstruation
Gekenmerkt durch: Unwohlsein, Schmerz, aber auch mentale Ausgeglichenheit
Zeit für: Entspannung, Selbstsorge, es ruhig angehen lassen.
Vorsicht: Nicht glauben, man sei faul, nur weil man sich die Ruhe nimmt, die man gerade braucht.
Der innere Frühling: Neubeginn
Zeitraum: Die ersten Tage nach der Menstruation
Gekenmerkt durch: Ich kann alles!-Mentatlität, Unmengen an Energie und Optimismus
Zeit für: Dinge angehen, die mehr Energie benötigen; Neues ausprobieren.
Vorsicht: Man kann sich eventuell überladen.
Der innere Sommer: Höhepunkt
Zeitraum: Die Tage um den Eisprung herum, Mitte des Zyklus
Gekenmerkt durch: Lasst uns alle Freunde sein!-Mentalität, und “Boah, sehe ich gut aus!”
Zeit für: Geselligkeit, Unternehmungen, Sex
Vorsicht: Vielleicht verleitet einen die Geber-Laune zu mehr Großzügigkeit als gut wäre.
Der innere Herbst: Einigeln
Zeitraum: Nach dem Eisprung bis zum Einsetzen der Menstruation
Gekenmerkt durch: Die ganze Welt ist blöd!-Mentalität, “Lasst mich alle in Ruhe”, erhöhter Appetit
Zeit für: Schokolade und Ablenkung, am besten allein.
Vorsicht: Andere Menschen sind wahrscheinlich gar nicht so blöd, nicht zu schnell urteilen.
Go with the flow: Die Jahreszeiten für sich nutzen
Natürlich haben nicht nur Hormone einen Einfluss darauf, wie wir uns fühlen, und wie viel Energie uns zur Verfügung steht. Qualität und Quantität des Schlafs (Eltern wissen, wovon ich spreche), Ernährung, Sport, Krankheiten, Geschehnisse, usw. spielen auch eine Rolle. Und man kann auch im Frühling schlechte Laune haben, sich im Herbst pudelwohl fühlen, oder sich im Winter als besonders schön empfinden. Aber die Wahrscheinlichkeit für das eine oder das andere kann je nach innerer Jahreszeit höher oder niedriger sein. Dann ist das Wissen darum, dass sich nicht nur die Menstruation jeden Monat wiederholt, sondern auch andere Phasen, die durch das auf und ab der Hormone beeinflusst werden, nicht einfach nur interessant, sondern kann vor allem auch nützlich sein. Denn dann kann ich mit meinen Stimmungen, Bedürfnissen und Stärken arbeiten, statt gegen sie anzukämpfen. Zum Beispiel:
1. Wenn es Dinge gibt, die ich gerne vor mir her schiebe, dann versuche ich diese in der ersten Woche nach meiner Menstruation zu erledigen, denn im Frühling fällt es mir besonders leicht Entscheidungen zu fällen und Dinge anzupacken. In der Zeit kann ich sowieso alles 😀
2. Soziale Kontakte pflege ich besonders gut im Sommer, denn dann fällt es mir leicht auf andere Menschen einzugehen, ich fühle mich in sozialen Kontexten richtig wohl und genieße es mit anderen Menschen zusammen zu sein, viel mehr als sonst. Es kostet mich kaum Energie und gibt mir stattdessen viel Energie zurück. Im Sommer mutiere ich zur Extrovertierten 😀
3. Wenn ich merke, dass ich schnell gereizt reagiere und ich alles etwas negativer sehe als sonst (milde ausgedrückt), dann gehe ich sozialen Interaktionen so gut es geht aus dem Weg. Sie kosten mich in dieser Phase viel Energie und ich kann die Zeit besser nutzen, indem ich Dinge tue, die mir Energie zurückgeben. Zum Beispiel Schreiben. Und ich lenke mich ab, wenn ich merke, dass negative Gedankenspiralen oder Erinnerungen mich herunter ziehen, statt ihnen nachzuhängen. Ich weiß, diese Phase geht vorüber, und ich muss nur schauen, dass ich sie so angenehm wie möglich gestalte. Inklusive Schlemmen natürlich.
4. Vor allem an den ersten Tagen meiner Menstruation fühle ich mich meistens unwohl und energielos. Das akzeptiere ich dann und versuche nicht krampfhaft das Energie-Niveau der anderen Wochen zu halten. Ich lasse es ruhiger angehen und verschiebe Dinge, die nicht essentiell sind, auf den Frühling. Stattdessen mache ich es mir gemütlich und lege die Beine hoch (soweit es sich eben machen lässt).
Auf das Timing kommt es an
Ich war vor Kurzem mit meinem Mann in einem Kletterwald klettern. Hatte ich das die Male davor sehr genossen, konnte ich es bei jenem Mal absolut nicht. Meine Gedanken hörten sich in etwa so an “Wie sicher ist die Ausrüstung? Was, wenn ich etwas falsch mache und in die Tiefe stürze? Was soll daran so toll sein, so hoch oben herum zu klettern? Warum tun wir uns das an? Gefällt es den anderen wirklich, oder geben wir alle zusammen nur vor, dass es uns Spaß macht?” Ich fragte mich, warum ich jetzt so negativ eingestellt war, wo es mir doch früher so viel Spaß gemacht hatte. Mir fiel ein, dass ich kurz vor meiner Menstruation stand und dann wusste ich, dass heute einfach der falsche Tag für Abenteuer und andere Menschen war. Was ich wollte war allein sein, mit einem guten Buch und was Leckerem zu essen. Ich wollte nicht an einer Seilbahn hängen. Ich ließ es dann sein und machte mir eine gedankliche Notiz, dass ich diese “Abenteuer” auf meinen inneren Frühling oder Sommer legen sollte, wenn möglich, um für mich den meisten Spaß aus der Sache zu ziehen. Und ich wusste, dass ich keine generellen Schlussfolgerungen ziehen musste ala “Klettern ist nichts für mich”, sondern es einfach auf meine Phase im Zyklus schieben durfte, in der ich eben andere Dinge brauchte.
Nicht jede Frau wird diese Phasen bei sich feststellen. Solche, die die Pille nehmen, haben diese Hormonschwankungen nicht, und werden “nur” durch die anderen Alltags-Faktoren beeinflusst. Und andere merken die Schwankungen generell nicht so doll. Aber für jene, die sie wohl wahrnehmen, kann es sicher interessant und eben auch nützlich sein zu wissen, dass es die Schwankungen und somit Phasen gibt, in denen sich Bedürfnisse und Stärken ändern, denn so können sie diese entsprechend berücksichtigen und nutzen. Wir sind unseren Hormonen zum Glück nicht hilflos ausgeliefert, und frau kann trotz fehlendem Antrieb oder schlechter Laune Dinge erledigen und rational denken. Aber wir können uns unser Leben mitunter leichter machen, wenn wir Tätigkeiten, Termine, Treffen, Ruhepausen, usw. entsprechend unserem Zyklus planen und nicht glauben, wir müssten an jedem Tag des Monats gleich energiegeladen, freundlich, und sexy sein, und uns eben auch die Zeit für uns selbst gönnen um aufzuladen.
Schneeglöckchen oder Sonnenblume?
Ich freue mich auf eine Zeit, in der sich Frauen/menstruierende Personen begrüßen und sagen:
“Und? Welche Jahreszeit steht bei dir an?”
-“Herbst!”
“Okay! Wir verschieben das Ausgehen. Wollen wir uns auf die Couch kuscheln und Kuchen essen?”
-“Das ist genau das, was ich gerade brauche!”
Oder:
“Ich bin im Frühling!”
-“Toll, lass uns etwas Neues ausprobieren!”
„Au ja!“
Vielleicht hast du ja Lust bekommen herauszufinden, wie dein Frühling, Sommer, Herbst und Winter aussehen; hinzuhorchen, was du in diesen Phasen magst und brauchst; dich von anderen Dingen zu distanzieren; und einfach mit den Schwankungen arbeitest, statt gegen sie.
Deine Re,
die sich gerade im Herbst befindet, sich den ganzen Tag zusammen reißen musste, endlich alleine ist und nun tief durchatmet. Da freut man sich schon fast auf den Winter… 😉
